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Kunsthalle Fridericianum

Skulpturen, Installationen und Interventionen, performativ und als Graffiti: das sind die künstlerischen Medien, mit denen Marc Bijl soziale und politische Themen so intelligent wie provokativ und subversiv in Szene setzt. Im Zentrum seiner Arbeit stehen politische Ereignisse, die Wahrnehmung und der Umgang mit gesellschaftlichen Strukturen, sozialen Regelsystemen und dem öffentlichen Raum; und immer wieder deren symbolische Erscheinung.

Das Symbol, das Logo und das Label zeigen sich als seine Angriffspunkte und sein künstlerisches Werkzeug, deren oberflächliches Image und deren Mythenbildung von Marc Bijl umgestürzt, neu verortet und konnotiert werden – und dies gerne mit dem Ziel einer kritischen Hinterfragung des Zustandes der Gesellschaft. Hierbei schöpft er aus einer Vielfalt signifikanter Bereiche gegenwärtigen, alltäglichen Lebens wie nationale Identität, Religion, Industrie, Kapital, Werbung und Kunstwelt. So hat Marc Bijl das aus Beton geformte Nike-Symbol auf dem von eben dieser Firma gesponserten Sportgelände am Berliner Alexanderplatz montiert und somit das unbefangene Sporttreiben unmöglich gemacht. Oder er produzierte während der Fußball-Europameisterschaft 2000 für den „potentiell gewaltbereiten Hooligan“ orange lackierte Ziegelsteine mit dem Nike-Slogan just do it, die er dann aber über seine Galerie dem Kunstsammler zum Kauf anbot.

Von einer eher bedrückenden Aura umgeben sind die skulpturalen Arbeiten Bijls, die er mit Teer übergossen hat. Mit La Revoluzione Siamo Noi (2001) greift er auf die Figur der bereits zur Ikone avancierten Lara Croft aus der Computerspielserie Tomb Raider zurück. In menschlichen Ausmaßen, aus Polyester geformt, hat sie ihre lebendige Jugendlichkeit und das Sexappeal aufgrund der sie umhüllenden und tropfenden schwarzen Masse gegen die beängstigende Erscheinung einer Mutantin aus der Unterwelt eintauschen müssen. Die vier großen Letter der Skulptur Porn (2002) verweisen nunmehr auf eine Ikone der jüngeren Kunstgeschichte, nämlich Love von Robert Indiana und der späteren Adaption Aids von General Idea. Mit Porn greift Marc Bijl nicht nur ein scheinbar unbeugsames Tabuthema auf, sondern lässt ein neues Label entstehen, ein Etikett für den momentanen Zeitgeist und die Pervertiertheit politischer und sozialer Prozesse. Im Kontext der Nationalsymbole vollführt Marc Bijl mit Dark Symbolism (2003), eines in Teer getauchten Adlers aus Gips, eine Art Metamorphose des heraldischen Wesens, dessen Attribute wie Unsterblichkeit, Mut, Weitblick und Kraft sich nun in seiner neuen Darstellung geradezu ins Lächerliche verkehren.

Hart und kraftvoll bereits in der Materialwahl zeigt sich die aktuelle Serie Fundamentality (2007-2008), mit der Marc Bijl vor allem auf Macht und Einfluss durch Religion und Kapital anspielt. Aus Stahl und Beton konstruiert er Kreuze, metallisch lackierte Barren und Stabstähle – so dass in den Installationen auch die Schwere des Themas wahrhaftig vor dem Rezipienten platziert ist. Erst kürzlich errichtete er die Arbeit Fundamentality V (2008) im niederländischen Tilburg. Erinnernd an Sol LeWitts minimalen Konstruktivismus, platzierte Marc Bijl direkt vor einem Kirchengebäude einen riesigen Stapel Kuben aus gewöhnlichen Bausteinen, den er hell anstrahlen lässt. Die Hinwendung zu abstrakteren Formen und damit einhergehend das Referieren auf die Kunstgeschichte der Moderne zeigt Marc Bijl mehr und mehr auch in den neueren zweidimensionalen Arbeiten und Graffitis, mit denen er unter anderem auf die geometrische Formensprache Piet Mondrians verweist. Während die Abstraktion Mondrians diesen zum „Wesen der Dinge“ führen sollte, so sieht Marc Bijl in der Abstraktion den aktuellen gesellschaftlichen Wunsch nach Struktur und Ordnung.

Und bei all dem konfrontiert er uns stetig mit seinen fast unscheinbaren, minimalen Interventionen, den schlichten Performances oder den Graffiti-Interventionen, den Parolen und Protestäußerungen, die sich von Wandbotschaften anderer nicht unterscheiden und daher auch das gleiche Schicksal der nur kurzen Dauer erleben müssen. So bereits bei einem Besuch in Kassel geschehen, als er 2002 als quasi illegaler Teilnehmer der documenta 11 die sechs Säulen des Fridericianum-Portals mit dem Wort TERROR besprayte. Am nächsten Morgen waren die Buchstaben wieder entfernt worden und das Publikum – noch geprägt durch den 11. September des vergangenen Jahres – konnte die Ausstellung sorglos besuchen.
Das ist Marc Bijls Weg, gesellschaftliche Zu- und Missstände zu infiltrieren sowie zu unterstreichen. Aber er sieht sich nicht als Aktivist, sondern – und das selbstverständlich – als Künstler: Politics is fiction, art is real. Zudem war Marc Bijl der Bassist der Rotterdamer Gothik-Band Götterdämmerung.

Im Fridericianum zeigt Bijl unter dem Titel The simple complexity of it all raumgreifende Skulpturen, Videos und Graffiti-Arbeiten, mit denen er sowohl seine eigene künstlerische Vergangenheit und Entwicklung aufgreift als auch eine Hommage an drei Künstler der jüngeren Kunstgeschichte formuliert; Barnett Newman, Sol LeWitt und Piet Mondrian. In seinen neuesten Werken entwickelt Bijl eine eigene Haltung gegenüber den Errungenschaften der Moderne.


Bio Marc Bijl


Marc Bijl wurde 1970 in Leerdam geboren. Er studierte an der Königlichen Akademie für Kunst und Gestaltung in s’Hertogenbosch und an der Rennie Macintosh School of Art in Glasgow. In den Jahren 2001 und 2002 war Marc Bijl Stipendiat am Künstlerhaus Bethanien in Berlin. Im Zuge dieses Aufenthalts zeigte er die Einzelausstellungen Porn (2002) in Bethanien sowie Make them doubt (2002) im Projektraum K&S in Berlin. Neben den Interventionen im öffentlichen Raum und den so genannten symbolischen Aktionen hat Marc Bijl an einer Vielzahl internationaler Gruppenausstellungen teilgenommen; unter anderem an der Manifesta 4 (2002) in Frankfurt, bei Nation (2003) im Frankfurter Kunstverein, bei 20/20 Vision (2004) im Stedelijk Museum in Amsterdam, an Hit & Run (2004) bei Platform Garanti in Istanbul, an On Patrol (2005) bei De Appel in Amsterdam, an der Wanderausstellung Populism (2005) und bei Youth of Today (2006) in der Frankfurter Schirn, bei Dark (2006) im Museum Boijmans Van Beuningen in Rotterdam sowie bei I Love My Scene: Scene 2 (2006) in der Mary Boone Gallery in New York. Zu seinen jüngsten Einzelausstellungen gehören Afterhours (2006) in der Cosmic Galerie in Paris sowie Indy Structures (2006) bei The Breeder in Athen.
Zudem organisierte Marc Bijl gemeinsam mit Jeroen Jongeleen und Erik van Lieshout von 2001 bis 2002 den Les 33 Artclub, ein Barprojekt in Rotterdam, und ist seit 1995 Bassist der Band Götterdämmerung.


Marc Bijl lebt und arbeitet in Berlin.


www.thebreedersystem.com
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