
Monica Bonvicini wirft in ihrer Kunst Fragen  nach Gender- und Machtverhältnissen in unterschiedlichsten Kontexten  auf. Im Zentrum stehen dabei die Bereiche Architektur und öffentlicher  Raum, Berufswelt, Sexualität sowie Politik und Repräsentation, deren  enge Verknüpfungen sie offen legt. Die Künstlerin untersucht öffentliche  und private Räume auf ihre innere Logik, prüft die Wechselbeziehung von  physischem und sozialem Raum und dekonstruiert das Verhältnis von  Funktion, Adressat und Ästhetik in der Architektur. Das  identitätsstiftende Moment in der Wahrnehmung des den Menschen  umgebenden Raumes spielt dabei eine zentrale Rolle. Gebäude sowie urbane  und suburbane Infrastruktur zeigen sich in Bonvicinis Augen keineswegs  neutral, sondern im Gegenteil obsessiv, politisch-ideologisch und  sexualisiert.
 
 Die geschlechtliche Determinierung von  spezifischen Räumen, von Berufen und bestimmten Verhaltensmustern steht  bei Monica Bonvicini immer wieder im Mittelpunkt. Architektur als  traditionell männliche Domäne, ebenso wie das Berufsbild des  Bauarbeiters und die dadurch produzierten Klischees greift die  Künstlerin auf und untersucht in ihren Arbeiten die den Stereotypen  zugrunde liegenden Mechanismen. Materialien wie Latex, Leder, Stahl und  Beton, die durch ihre Beschaffenheit zu Vermittlern gesellschaftlich  verhafteter Assoziationen werden, setzt sie in unerwartete Kontexte und  stellt somit neue Verknüpfungen her. In der Serie Leather Tools,  2004-2009, ließ Bonvicini verschiedene Werkzeuge mit schwarzem Leder  beziehen und verwandelte die Gegenstände auf diese Weise, durch die rein  assoziative Kraft des Materials, in Fetische.
 
 Häufig  produziert Bonvicini mit ihrer Kunst Situationen, in denen der  Betrachter selbst zum Handeln aufgefordert ist. Unter dem Titel Don’t  Miss A Sec.’, 2004, stellte sie während der Art Basel mitten auf  dem Vorplatz der Kunstmesse ein Toilettenhäuschen auf. Die Spiegelwände  der Kabine waren so beschaffen, dass man zwar von außen nicht  hineinsehen, jedoch von innen herausblicken konnte. Die Konstruktion  löste Unsicherheit und Beklemmung bei den Nutzer/innen aus, da für sie  die Grenze zwischen Teilhabe am öffentlichen Leben und dem intimen  Moment des Toilettenganges zur Unkenntlichkeit verschwamm. Weniger  partizipativ, jedoch ebenso direkt wurden die Betrachter/innen mit der  Arbeit NOT FOR YOU, 2007, konfrontiert. In meterhohen  Leuchtbuchstaben, befestigt an einem Stahlgerüst, war der Werktitel über  Eck laufend an zwei Wänden des ansonsten leeren Ausstellungsraumes zu  lesen. Die Flächen der überdimensionalen Buchstaben, ähnlich einer  Außenreklame für Revuetheater zweireihig mit Glühbirnen besetzt,  leuchteten in einem Rhythmus grell auf. Während die Besucher/innen sich  dem visuellen Reiz unmöglich entziehen konnten, wurden sie durch die  buchstäbliche Botschaft „Not for you“ zurückgewiesen. Monica Bonvicini  deutete auf diese Weise – gleichzeitig verbal brutal und konzeptuell  subtil – auf eine Klassengesellschaft im Kulturbetrieb hin, in der  zeitgenössische Kunst zum exklusiven Statussymbol eines ebenso  hermetischen wie elitären Zirkels geworden ist. NOT FOR YOU problematisiert  die Rolle des Betrachters, aber auch die Funktion des  Ausstellungsraumes, der trotz der leeren Bodenfläche durch die Größe und  das grelle Licht des Schriftzuges überlastet schien. Der Ort der Kunst –  die Institution und ihre Protagonist/innen inbegriffen – wird bei  Bonvicini zum Thema der Kunst und hier konkret zur Zielscheibe  künstlerischer Kritik an den herrschenden Bedingungen des  institutionellen Systems.
 
 In der Kunsthalle Fridericianum  werden sowohl konzeptuelle Arbeiten als auch skulpturale Werke und  raumgreifende Installationen präsentiert und verdeutlichen in der  Zusammenschau die formale Diversität und inhaltliche Kontinuität der  Künstlerin. In ihrem Oeuvre spiegelt sich eine dezidiert politische  Haltung, die jedoch niemals in der bloßen Mitteilung ihrer Position  durch künstlerische Mittel verharrt. Stattdessen sucht Bonvicini immer  wieder die Konfrontation auf künstlerischer Ebene, durch Brüche mit  Darstellungsroutinen und traditionellen Sehgewohnheiten. 
 
 „I decided to try art because it was the only way to be a  worker and an intellectual at the same time.” Monica Bonvicini

 







 


























