Gewaltige weiße Rauchwolken, die aus Tunneln explodieren, im bewaldeten Hintergrund eines französischen Châteaus oder eines steinernen Leuchtturms wuchern, morbide Hochhaussiedlungen aus den 1960er und 1980er Jahren samt ihrer bröckelnden Fassaden sowie dem Sprengkommando überlassene Hochhausruinen in prekären Stadtrandgebieten, die vor dem Hintergrund einer sozialen Utopie erbaut, nun zu Pulverfässern der Gewalt mutieren; das sind die Orte und Motive, mit denen sich Cyprien Gaillard in seiner künstlerischen Arbeit auseinandersetzt.
Er beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Architektur und Natur und zeigt dies besonders eindrucksvoll mit der 2006 entstandenen Serie Geographical Analogies. Sorgfältig stellt Cyprien Gaillard jeweils neun Polaroids in eine visuelle Korrespondenz zueinander. Die Aufnahmen, gruppiert in einer hölzernen Box, zeigen sowohl mexikanische Naturstätten als auch Bauprojekte der Bronx. Mit der Auseinandersetzung von Architektur und Natur bezieht sich Gaillard aber auch auf die Aussagen und Wirkungen der Land Art. Mit der Nummer VI aus der Film- und Fotografieserie Real Remnants of Fictive Wars lässt er sogar die Ikone der Land Art, Robert Smithsons Spiral Jetty von 1970, im Rauch untergehen. Minimale Ästhetik und eine romantische Ader, aber auch Vandalismus und ein junger anarchistischer Geist sind die Grundpfeiler seiner Arbeiten, mit denen er eine Umkehr des Vandalismus in die Hochkultur vollzieht.
In der Wahl seiner Medien bleibt der Künstler vielfältig und macht sowohl Gebrauch von Malerei und Grafik, als auch von Fotografie bis hin zu Film- und Videoarbeiten. Aber besonders im Film setzt er sein Gespür für die von ihm entdeckte Erhabenheit der Landschaften, Orte und ihrer Architektur deutlich um. So avancierte das knapp dreißigminütige Video Desniansky Raion (2007) zu einem seiner Hauptwerke. Als Triptychon konzipiert und begleitet von der sphärischen Musik Koudlams, bildet den Einstieg ein konzentrierter Blick auf das imposante, aber bereits marode, 35 Stockwerke umfassende Westtor Belgrads, den Genex-Turm. Darauf folgen die narrativen Parts, beginnend mit einer Straßenschlacht unter Hooligans in einem Vorort von St. Petersburg, die von einer Lightshow begleitete spektakuläre Sprengung eines Pariser Wohnblocks und schließlich das aus der Vogelperspektive gefilmte Aufspüren einer trostlos kargen, winterlichen Hochhaussiedlung in dem Titel gebenden Kiewer Stadtteil Desniansky Raion, die in ihrer kreisförmigen Baustruktur an das englische Stonehenge denken lässt.
Seine neue Videoarbeit Crazy Horse (2008) stellte Cyprien Gaillard im Rahmen des Nachtprogramms der diesjährigen Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst als Live-Performance gemeinsam mit Koudlam vor. Als immense Projektion an einer Hauswand im Skulpturenpark in Berlin Mitte verfolgte man das Voranschreiten der Sprengarbeiten an dem Crazy Horse Memorial in den Black Hills in South Dakota, das nach seiner Fertigstellung zu den größten Skulpturen der Welt gehören wird. Bereits 1948 begann der Bildhauer Korczak Ziólkowski auf Einladung des damaligen Häuptlings der Sioux mit der Arbeit an diesem Denkmal und Gaillards Video ist wiederum als Hommage an dieses großartige Projekt konzipiert.
Mit seiner Präsentation in der Kunsthalle Fridericianum unter dem Titel Glasgow 2014 macht Cyprien Gaillard auf das groß angelegte Niederreißen von Hochhäusern aus den 1960er Jahren aufmerksam und somit auch auf das Verschwinden des sozialen Wohnungsbaus in Glasgow, das im Zuge der Vorbereitungen auf das sportliche Großereignis der Commonwealth Games in 2014 der „Stadtverschönerung“ dienen soll. Dieses Vorgehen stellt sich für Cyprien Gaillard als Paradebeispiel für staatlich organisierten Vandalismus dar.
Für seine Ausstellung PRUITT-IGOE FALLS erweitert Cyprien Gaillard seine "globale" Serie Geographical Analogies und zeigt ein neues Video sowie seine Skulptur Le canard de Beaugrenelle.
Zur Eröffnung am 16. Januar 2009 wurde Gaillards Video Desniansky Raion mit Live Performance von Koudlam präsentiert.