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Mit JULY, IV, MDCCLXXVI rückt Danh Vo Überlegungen zum Begriff der Freiheit in den Fokus seiner künstlerischen Auseinandersetzung. Der Titel bezeichnet den 4. Juli 1776, das Datum der Unterzeichnung der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten gegenüber Großbritannien. Die Schreibweise in römischen Ziffern ist der Tafel entlehnt, die die Figur der New Yorker Freiheitsstatue in ihrer linken Hand hält. Die Miss Liberty verbildlicht seit 1886 bei Flüchtlingen und Immigranten an der Küste New Yorks die Hoffnung auf ein besseres Leben und ist das bedeutendste Symbol für Freiheit und Unabhängigkeit, welches Danh Vo im Zuge seiner großen Einzelausstellung in die Kunsthalle Fridericianum einziehen lässt. Gemäß den Dimensionen des Originals und dessen Kupfergewicht von rund 31 Tonnen lässt Vo eine Replik der Freiheitsstatue produzieren, die den räumlichen Hauptteil von JULY, IV, MDCCLXXVI bestimmt. Er nennt diese gigantische Skulptur WE THE PEOPLE und rezitiert mit diesem Titel die ersten drei Worte der Präambel der Verfassung der Vereinigten Staaten vom 17. September 1787. Die zunächst brachial erscheinende Monumentalität wird allerdings sofort relativiert, da die Skulptur in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt ist und dadurch stark abstrahiert wird. Vo konzentriert sich bei der Reproduktion auf die Wiedergabe der dünnen Kupferhaut – das die Figur stützende Eisengerüst fehlt – und lässt somit bei WE THE PEOPLE eine besondere Fragilität zum Vorschein kommen. Die zerbrochene Ikone, die am Boden zerstörte allegorische Figur der Libertas steht in einem starken Kontrast zur Masse der Materialität.

Dieser Konfrontation mit körperlicher Masse steht eine räumliche Offenheit im Untergeschoss gegenüber. Dort lenkt Danh Vo die Konzentration auf ein markantes Fundstück: die originale Schreib-maschine, auf der Theodore Kaczynski das „Unabomber-Manifest“ verfasste. Kaczynski, Universitätsprofessor und Terrorist, der in den USA über 18 Jahre lang Bombenanschläge verübte, führte seinen persönlichen Kampf gegen den so genannten Leftismus, die Industrie-gesellschaft und ihren Fortschrittsglauben. 1995 versandt er ein Manifest, eine ausführliche, teils philosophisch angehauchte, Zivilisationskritik mit dem Titel Die industrielle Gesellschaft und ihre Zukunft (Industrial Society and its Future) anonym an die „New York Times“ und die „Washington Post“. Mit dem Text verband er das Angebot, die Anschläge zu beenden, wenn diese sein Manifest veröffentlichten. Kurz nach dem Erscheinen des Textes konnte Kaczynski in einer kleinen Hütte in den Bergen von Montana ausfindig gemacht und festgenommen werden. Sowohl die Hütte als auch die in ihr gefundenen Gegenstände sind kürzlich vom FBI versteigert worden.

Das Ausstellen von Objekten nach dem Prinzip des Ready-made ist eine für Danh Vo bezeichnende künstlerische Strategie. Die ausgewählten Objekte sind vielschichtige Bedeutungsträger, mit denen er Geschich-ten erzählt und Beziehungen offen legt. Sie bergen immer ein komplexes politisches, aber auch poetisches System in sich, mit dem der Künstler Kunst und Leben scharfsinnig miteinander verknüpft. So ergibt sich auch für die Kasseler Ausstellung ein weit verzweigter Erzählstrang, der ausgehend von dem Freiheitsbegriff das Scheitern von politischen, gesellschaftlichen und auch persönlichen Zielen erörtert und Fragen zu Selbstbestimmung und Verantwortung aufgreift.

Exklusiv zu JULY, IV, MDCCLXXVI erscheint die Edition „Seasons Greetings“ von Danh Vo, die in engem Bezug zur Ausstellung steht. In einer Auflage von 24 Exemplaren hat der Künstler Fundstücke zusammengestellt, von denen jedes einzelne auf ein Werk der Kasseler Ausstellung referiert: Eine handgefertigte Holzkiste enthält jeweils eine Ausgabe der ersten Auflage des Buches „Harvard and the Unabomber – The Education of an American Terrorist“, ein T-Shirt aus dem Souvenir-Shop der New Yorker Freiheitsstatue, eine Tasse aus dem „George Bush Library and Museum“, bedruckt mit einem Zitat von Barbara Bush, sowie eine Karteikarte, auf die mit der originalen Schreibmaschine des Unabombers Theodore Kaczynski das titelgebende Datum des amerikanischen Unabhängigkeitstages geschrieben wurde.


Mit Dank an Galerie Chantal Crousel, Paris, Isabella Bortolozzi Galerie, Berlin, und Galerie Buchholz, Köln/Berlin.

Mit freundlicher Unterstützung von


              



  
             
Danh Vo

Danh Vo wurde 1975 in Vietnam geboren und ist in Dänemark aufgewachsen. Er hat an der Royal Danish Academy of Fine Arts in Kopenhagen und an der Städelschule in Frankfurt studiert. Zurzeit lebt und arbeitet er in Berlin.

Zu seinen aktuellen Einzelausstellungen gehören im Jahr 2010 Hip Hip Hurra im SMK in Kopenhagen; Autoerotic Asphyxiation im Artist Space in New York; im Jahr 2009 Les Fleurs d'Interieur in der Kadist Art Foundation in Paris und parallel dazu Where the Lions Are in der Kunsthalle Basel; im Jahr 2008 Package Tour im Stedelijk Museum in Amsterdam; The valley (Projekt für das Kunstmagazin Frieze, in Zusammenarbeit mit Dominic Eichler); im Jahr 2007 Untitled im Brandenburgischen Kunstverein in Potsdam; und im Jahr 2005 Dreams and Expectations im Ausstellungsraum NO.5 der Bergen Kunsthall. Nach seiner Ausstellung in der Kunsthalle Fridericianum in Kassel wird Vo außerdem Soloausstellungen im Statens Museum for Kunst in Kopenhagen (2012), im Musée d'art moderne de la Ville de Paris (2012) und im Kunsthaus Bregenz (2013) haben.

Danh Vo war an einer Vielzahl internationaler Gruppenausstellungen beteiligt, unter anderem im Jahr 2011 an der Singapore Biennale, an based in Berlin sowie an You are not alone in der Fundació Joan Miró in Barcelona. Im Jahr 2010 wurde Vo auf der Gwangju Biennale sowie auf der 6. Berlin Biennale gezeigt und war beteiligt an Strange Comfort in der Kunsthalle Basel und am Istituto Svizzero in Rom; im Jahr 2009 war er beteiligt an der Ausstellung Morality im Witte de With in Rotterdam und an der Ausstellung der Nominierten zum Preis der Nationalgalerie für junge Kunst im Hamburger Bahnhof in Berlin; im Jahr 2008 an der Manifesta 7 in Trentino-Südtirol und im Jahr 2007 an Oh boy it's a girl im Kunstverein München. Im Jahr 2012 wird Vo außerdem an der 2. Triennale im New Museum in New York teilnehmen.


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