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Kunsthalle Fridericianum
Foto: Nils Klinger
Ansicht der Kunsthalle Fridericianum

Fridericianum - vom Museum zur Kunsthalle

Nicht ein Residenzschloss ließ sich Landgraf Friedrich II. am neu entstandenen Paradeplatz, dem Friedrichsplatz in Kassel, erbauen, sondern – und dies ganz im Sinne der Aufklärung – ein öffentliches Museum im klassizistischen Baustil. Die Säle im Erdgeschoss wiesen eine Antikensammlung und eine „Galerie der modernen Statuen“ auf, diese bestand aus einem Saal mit Antikenkopien aus Marmor, Bronze und Gips sowie aus Kabinetten mit ausgestellten Statuetten, Gemmen und Vasen. Zusätzlich wurden ein Medaillenkabinett, ein Automaten- und Uhrenkabinett sowie Nachbildungen römischer Bauten aus Kork präsentiert. In der Beletage war die hessische Landesbibliothek beheimatet, die sich über beide Hauptflügel als prachtvolle Galerie erstreckte und die für bis zu 100.000 Bücher ausgerichtet war. In den Seitenflügeln des Obergeschosses befanden sich ein Kupferstichkabinett, ein Handschriftenraum und ein Kartensaal, aber auch Säle, in denen naturwissenschaftliche Instrumente beherbergt wurden. Am 23. Mai 1779 wurde nach zehnjähriger Bauzeit die Eröffnung gefeiert – die Eröffnung des ersten öffentlichen Museumsbaus auf dem europäischen Festland. Rund dreißig Jahre später formte der jüngste Bruder Napoleons, Jérôme Bonaparte, damaliger König von Westphalen, das Museum Fridericianum in ein „Palais des Ètats“, ein Parlamentsgebäude mit Repräsentationsräumen um. Nach seiner Vertreibung im Jahr 1813 wurde aus dem Fridericianum wieder ein Museumsgebäude, das nun nicht mehr der Idee von Kunst und Wissenschaft aus der Feder des Fürstenhauses folgte, sondern sich jetzt ganz seiner musealen Sammlung widmete. Doch auch dieser Dienst blieb nicht lange bestehen, denn unter preußischer Herrschaft wanderten die Sammlungsgegenstände des Museums nach und nach in das preußische Zentrum nach Berlin, weshalb das Museum Fridericianum ab 1913 keinen musealen Auftrag mehr hatte. Von nun an war es nur noch Bibliothek bis diese 1941 vollständig ausbrannte. Ein gutes Jahrzehnt später wurde die Ruine Fridericianum zum Mittelpunkt der ersten documenta, die Arnold Bode 1955 ins Leben rief.

Für die Entfaltung der Kunsthalle Fridericianum ist von besonderem Interesse, dass seit 1988 die Perioden zwischen der Weltausstellung für permanente und Wechselausstellungen genutzt werden. In Kassel geht nun nicht mehr nach einer documenta-Ausstellung „das Licht aus“ wie es Harald Szeemann noch 1972 skizzierte. Das Museum Fridericianum wurde zur Kunsthalle, deren Neuerscheinung von Veit Loers, dem ersten künstlerischen Leiter des Hauses, mit dessen Ausstellung Schlaf der Vernunft (1988) etabliert wurde. Der Titel war grandios gewählt, bedenkt man, dass es sich um eine Gegenüberstellung von Museumsobjekten der Aufklärungsepoche mit aktueller Kunst handelte und somit ein wunderbarer Übergang von der Geschichte des Hauses zur jungen Kunsthalle im Museum Fridericianum geschaffen wurde. Es folgten die Ausstellungen Wiener Aktionismus(1988), Italiens Moderne (1990) und Shapes and Positions (1993) sowie Präsentationen mit Arbeiten von Pierre Soulages (1989), Laszlo Mohlogy-Nagy (1991)oder Gustav Klucis (1991). Nach der documenta X übernahm René Block 1998 die künstlerische Leitung des Fridericianums und veranlasste im Jahr 2001 die Umbenennung in Kunsthalle Fridericianum und verdeutlichte damit die Funktion des Hauses als Ausstellungsort aktueller Kunst. Thematisch fokussierte er die Internationalität des Hauses in Form einer Auseinandersetzung mit der Peripherie des globalen Kunstgeschehens. Neben Ausstellungen, die seiner langjährigen Leidenschaft und engen Zugehörigkeit zur Fluxus-Bewegung gewidmet waren, zentrierte er sein Interesse auf Themenausstellungen sowie auf groß angelegte Gruppenausstellungen. Zu den bedeutendsten gehören Das Lied von der Erde (2000), Looking At You (2001) und In den Schluchten des Balkan (2003). Zudem öffnete René Block die Kunsthalle Fridericianum dem kuratorischen Nachwuchs, indem er 2003 die Kuratorenwerkstatt ins Leben rief und eine enge Zusammenarbeit mit dem apexart Curatorial Program in New York organisiert wurde.

Seit 2008 steht die Kunsthalle Fridericianum unter der Leitung von Rein Wolfs. Mit einer Konzentration auf Einzelausstellungen von jungen, internationalen Künstlerinnen und Künstlern wird auf Menschlichkeit in allen Facetten gesetzt, und auch mal auf Provokation und Unangepasstheit. Es werden vor allem die künstlerischen Haltungen sein, denen das Hauptaugenmerk gilt und der gesellschaftliche und politische Hintergrund der Kunst soll und wird nach vorne treten.