Die erste Kolumne*
Minderheiten, Außenseiter, Provokateure und andere Menschen
Kunst ist wichtiger als man meint und Kunst ist auch weniger wichtig als man meint. Von Bedeutung ist in erster Linie das Spannungsfeld. Als neuer Leiter der Kunsthalle Fridericianum wünsche ich mir, die Räume zwischen dem Einen und dem Anderen denken und gestalten zu können. Eines der Spannungsfelder liegt bereits in der einzigartigen Architektur des Museum Fridericianum, ein anderes – und dies ist noch wesentlicher – in der gegenwärtigen Kunst und Kultur, die sich zuerst aus der Differenz heraus definieren.
Nicht als Pausenprogramm zwischen den documenta-Ausstellungen, sondern als ernsthafte und differenzierte Formulierung größter Ambitionen, nimmt die Kunsthalle Fridericianum ihren Betrieb erneut auf. Ab dem fünften September dieses Jahres fungiert die neoklassizistische Fassade des ältesten öffentlichen Museumsgebäudes auf dem europäischen Festland wieder als wahrhafte Attrappe für zeitgemäße und zuweilen auch zukunftsorientierte Inhalte. So wie es während der zwölf vergangenen documenta-Ausstellungen und während der Spielzeiten der vormaligen Kunsthallenleiter Veit Loers und René Block bereits der Fall war. Das energetische Spannungsfeld zwischen Äußerem und Innerem des Hauses von 1779 ist zugleich die erste Chance einmalig und unverwechselbar zu sein.
Ambitiös und engagiert will die Kunst sein, die wir präsentieren. Menschlich, human soll sie sein, mit hier und da einem Funken Erhabenheit, ein Plädoyer für die noch zu formulierenden Voraussetzungen einer Menschlichkeit des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Das hört sich schwerwiegend an und auch wieder nicht, weil es im Wesen ganz gewöhnlich ist. Künstlerische Haltungen sollen im Vordergrund stehen, größere Gesten, eine Rückbesinnung auf das Performative und eine Umwertung dessen und vor allem ein bisschen weite Welt. Daneben aber auch eine Kunst, die eine Formalisierung im Sinne einer metaphorischen Umsetzung der künstlerischen Existenz provokativ zelebriert. Weniger Kunstwerke, die an ihrer eigenen formalen Praxis interessiert sind, sondern eine Kunst, die an ihre kommunikativen Fähigkeiten im Sinne einer menschlichen Sprache glaubt. Des Öfteren wird diese Sprache rau sein, hier und da auch die eines Bohemiens und manchmal kann sie sogar minimalistische Züge annehmen; ein wenig laut, weil hörbar, wird sie immer sein. An die Qualität ihres kommunikativen Potenzials soll sie nämlich glauben. Obwohl: Kunst, die glaubt? Zweifeln darf sie natürlich auch. Hauptsache sie ist fundiert und menschlich, ja vielleicht sogar allzu menschlich - und wie gesagt - manchmal ein bisschen erhaben.
Freundlich muss die Kunst nicht werden und bequem schon gar nicht. Eine Kunsthalle ist nämlich immer noch ein Raum, in dem fragile Wahrheiten, manchmal heikle Vorschläge und energetisch aufgeladene Provokationen einander die Hand reichen und wo das Unkonventionelle geschützt werden kann und muss. In einem solchen Raum lässt sich eher selten das Glück finden. Da spüren wir auch im Fridericianum eher Abgründe und dunkle Tiefen auf - oder auch parallele Welten und nicht ganz greifbare Ebenen. Gute Kunst ist schön und auch nicht schön, aber immer wirksam. Gute Kunst hat nicht selten provokative und revolutionäre Qualitäten. Und gute Kunst ist auch mal unangepasst.
Kunst ist wichtiger als man meint, weil sie wesentlich weiter greift als auf Anhieb sichtbar ist. Und Kunst ist weniger wichtig als man meint, weil sie auch nur menschlich und deshalb nicht unbedingt außergewöhnlich ist. Dieser Grundsatz wird unser Programm prägen. Ab dem fünften September mit einem Totalumbau des Fridericianums durch Christoph Büchel und ab Mitte Dezember mit existenziellen Metaphern, Symbolen und Zeichen von Klara Lidén, Cyprien Gaillard und Marc Bijl. Und, und, und... Es leben in der Kunsthalle zuerst einmal die künstlerischen Haltungen!
Rein Wolfs
April 2008
Minderheiten, Außenseiter, Provokateure und andere Menschen
Kunst ist wichtiger als man meint und Kunst ist auch weniger wichtig als man meint. Von Bedeutung ist in erster Linie das Spannungsfeld. Als neuer Leiter der Kunsthalle Fridericianum wünsche ich mir, die Räume zwischen dem Einen und dem Anderen denken und gestalten zu können. Eines der Spannungsfelder liegt bereits in der einzigartigen Architektur des Museum Fridericianum, ein anderes – und dies ist noch wesentlicher – in der gegenwärtigen Kunst und Kultur, die sich zuerst aus der Differenz heraus definieren.
Nicht als Pausenprogramm zwischen den documenta-Ausstellungen, sondern als ernsthafte und differenzierte Formulierung größter Ambitionen, nimmt die Kunsthalle Fridericianum ihren Betrieb erneut auf. Ab dem fünften September dieses Jahres fungiert die neoklassizistische Fassade des ältesten öffentlichen Museumsgebäudes auf dem europäischen Festland wieder als wahrhafte Attrappe für zeitgemäße und zuweilen auch zukunftsorientierte Inhalte. So wie es während der zwölf vergangenen documenta-Ausstellungen und während der Spielzeiten der vormaligen Kunsthallenleiter Veit Loers und René Block bereits der Fall war. Das energetische Spannungsfeld zwischen Äußerem und Innerem des Hauses von 1779 ist zugleich die erste Chance einmalig und unverwechselbar zu sein.
Ambitiös und engagiert will die Kunst sein, die wir präsentieren. Menschlich, human soll sie sein, mit hier und da einem Funken Erhabenheit, ein Plädoyer für die noch zu formulierenden Voraussetzungen einer Menschlichkeit des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Das hört sich schwerwiegend an und auch wieder nicht, weil es im Wesen ganz gewöhnlich ist. Künstlerische Haltungen sollen im Vordergrund stehen, größere Gesten, eine Rückbesinnung auf das Performative und eine Umwertung dessen und vor allem ein bisschen weite Welt. Daneben aber auch eine Kunst, die eine Formalisierung im Sinne einer metaphorischen Umsetzung der künstlerischen Existenz provokativ zelebriert. Weniger Kunstwerke, die an ihrer eigenen formalen Praxis interessiert sind, sondern eine Kunst, die an ihre kommunikativen Fähigkeiten im Sinne einer menschlichen Sprache glaubt. Des Öfteren wird diese Sprache rau sein, hier und da auch die eines Bohemiens und manchmal kann sie sogar minimalistische Züge annehmen; ein wenig laut, weil hörbar, wird sie immer sein. An die Qualität ihres kommunikativen Potenzials soll sie nämlich glauben. Obwohl: Kunst, die glaubt? Zweifeln darf sie natürlich auch. Hauptsache sie ist fundiert und menschlich, ja vielleicht sogar allzu menschlich - und wie gesagt - manchmal ein bisschen erhaben.
Freundlich muss die Kunst nicht werden und bequem schon gar nicht. Eine Kunsthalle ist nämlich immer noch ein Raum, in dem fragile Wahrheiten, manchmal heikle Vorschläge und energetisch aufgeladene Provokationen einander die Hand reichen und wo das Unkonventionelle geschützt werden kann und muss. In einem solchen Raum lässt sich eher selten das Glück finden. Da spüren wir auch im Fridericianum eher Abgründe und dunkle Tiefen auf - oder auch parallele Welten und nicht ganz greifbare Ebenen. Gute Kunst ist schön und auch nicht schön, aber immer wirksam. Gute Kunst hat nicht selten provokative und revolutionäre Qualitäten. Und gute Kunst ist auch mal unangepasst.
Kunst ist wichtiger als man meint, weil sie wesentlich weiter greift als auf Anhieb sichtbar ist. Und Kunst ist weniger wichtig als man meint, weil sie auch nur menschlich und deshalb nicht unbedingt außergewöhnlich ist. Dieser Grundsatz wird unser Programm prägen. Ab dem fünften September mit einem Totalumbau des Fridericianums durch Christoph Büchel und ab Mitte Dezember mit existenziellen Metaphern, Symbolen und Zeichen von Klara Lidén, Cyprien Gaillard und Marc Bijl. Und, und, und... Es leben in der Kunsthalle zuerst einmal die künstlerischen Haltungen!
Rein Wolfs
April 2008